WAS WIRD NICHT ALLES VERSPROCHEN…
- Der Supermarkt um die Ecke installiert einen einsamen Luftreiniger im Eingangsbereich. Das Werbeplakat verspricht: „Ich bin ein Luftreiniger und filtere 99,95% aller Viren aus der Luft“.
- Freie Handelsvertreter preisen Luftreiniger als Lösung für Gasträume bei den ohnehin schon gebeutelten Gastronomen an.
- Ein Bürgermeister brüstet sich damit, 16 Luftreiniger für Kindergärten als „Stand-Alone-Lösung“ für 63.000,-€ angeschafft zu haben – knapp 36.000,-€ davon werden vom Bund gefördert.
- Hersteller von Luftreinigern bombardieren Schulen und Kommunen mit Werbung mit Versprechen von Eindämmung und Risikominimierung einer Infektion.
- Geschäftsführer spenden Luftreiniger an Kindertagesstätten und genießen anschließend die Schlagzeilen in den Gazetten.
ABER KÖNNEN DIESE VERSPRECHEN AUCH GEHALTEN WERDEN?
Denn wenn man das alles objektiv unter die Lupe nimmt, sind diese Versprechen keineswegs haltbar. Elementare Aspekte werden schlichtweg übergangen, falsch vermittelt und unterm Strich wird völlig unzureichend aufgeklärt.
WAS SIE IN DIESEM ARTIKEL ERWARTET
Dieser Artikel möchte die Wirkung von Luftreinigern nicht pauschal in Abrede stellen. Er wird Sie dafür sensibilisieren, den Einsatz eines solchen Gerätes fachmännisch und nachhaltig anzugehen, anstatt eine reine „Gewissensberuhigung“ zu installieren. Denn Luftreiniger sind keineswegs die Allheilsbringer, als die sie oftmals angepriesen werden.
WELCHE GEDANKENFEHLER GEMACHT WERDEN
FALSCHE DEFINITION
Viele meinen: Luftreiniger = Luftwechsel. Das ist schlicht falsch. Luftreiniger haben keine Luftwechselrate, sondern einen Luftdurchsatz im Sinne einer Förderleistung und wälzen die Raumluft lediglich um. Das ist etwas völlig anderes als ein Luftwechsel (Luftaustausch) und ist auch ganz anders zu bewerten.
Eine möglichst hohe Frischluftzufuhr hingegen – also ein tatsächlicher Luftwechsel – ist die wirksamste Methode, potenziell virushaltige Aerosole aus Innenräumen zu entfernen.
Luftreiniger hingegen bringen keine Frischluft in das Gebäude und verbessern somit generell auch nicht die Raumluftqualität! Sie ersetzen in keinster Weise die notwendige Zufuhr von Außenluft.
Für einen wirksamen präventiven Infektionsschutz ist die Leistungsfähigkeit eines Luftreinigers unter Praxisbedingungen maßgeblich. Häufig beziehen sich Prüfnachweise jedoch nur auf standardisierte Laborbedingungen. Werbeaussagen nennen oft lediglich den Filterwirkungsgrad des reinen Gewebefilters, z.B. 99,95% für eine Gesamtpartikelanzahl bei Filterklasse H 13. Da ein Luftfiltergerät immer nur einen Teil der Raumluft umwälzt, ist diese Reduktion am Filter nicht gleichbedeutend mit der tatsächlichen Reduktion der Partikelbelastung in einem realen Raum.
FALSCHE AUSLEGUNG
Luftreiniger reinigen zu jeder Zeit nur einen Teil der Raumluft. Es muss also sichergestellt sein, dass über die Nutzungsdauer hinweg möglichst die gesamte Raumluft von den Geräten erfasst wird. Der Raum sollte ganzheitlich durchströmt und „Totzonen“ sollten vermieden werden.
Um die Raumluft hinreichend von Aerosolpartikeln zu befreien, müssen Luftreiniger entsprechend ausgelegt sein. Ein häufig benutztes Kriterium ist die sogenannte „Clean Air Delivery Rate (CADR)“, d.h. die Förderleistung an gereinigter Luft. Der CADR-Wert gibt an, welches Luftvolumen innerhalb einer vorgegebenen Zeit von Aerosolen im Größenbereich 0,09 μm bis 11 μm gereinigt wird. Dieser Wert wird selten deklariert.
Beim Einsatz von Luftreinigern mit Filtration wird z.T. der 6-Fache Luftdurchsatz des Raumluftvolumens pro Stunde gefordert, um erfolgreich die Aerosolmenge im Raum zu reduzieren.
Im Beispiel eines mittelgroßen Supermarktes von ca. 1.600m2 und einer Raumhöhe von 6m wäre das also ein erforderlicher Luftdurchsatz bei den Luftreinigern von 57.600m3/h (Anmerkung: ein großer Luftreiniger hat ca. 1.000m3/h Luftdurchsatz)
Auch wenn manche Hersteller damit werben, mit einem 2-fachen „Luftwechsel“ effizient zu sein, müssten in dem o.g. Beispiel-Supermarkt mindestens 19 Luftreiniger installiert sein.
Die Wirksamkeit der Geräte sollte unter den jeweiligen Praxisbedingungen vor dem Einsatz fachgerecht bewertet werden. Dabei sind nicht nur die Leistungsdaten (insbesondere der Luftdurchsatz), sondern auch die konkreten Einsatzbedingungen (z.B. Raumverhältnisse, Belegungsdichte, Anordnung des Luftreinigers im Raum, etwaige Strömungshindernisse) zu berücksichtigen.
FEHLENDE HINWEISE
Die Geräuschemission der jeweiligen Geräte dürfen zu keiner Geräuschbelästigung führen. Die Geräuschpegel mehrerer Geräte im Raum summieren sich zwar nicht linear, erhöhen sich aber merklich.
Es ist zu beachten, dass Luftreiniger meist zentrale Luft Ein- und Auslässe haben. Hier treten die höchsten Strömungsgeschwindigkeiten auf und es kann zu Zugerscheinungen führen.
Auch wenn Geräte als sparsam und effizient angepriesen werden, verursachen diese Geräte laufende Betriebskosten, die vielleicht für ein einzelnes Gerät überschaubar bleiben, sich für mehrere Geräte aber schnell summieren können. Ein regelmäßiger Filterwechsel, die Reinigung und Wartung der Anlagen ist wichtig, verursacht aber ebenfalls weitere Kosten.
Eine nicht regelmäßig gewartete Anlage oder ein verschmutzter Filter mindern nicht nur die Leistung und Effizienz eines Luftreinigers, sie erhöhen die Betriebskosten und machen ihn im schlimmsten Fall sogar zur „Bazillenschleuder“.
LUFTREINIGER KÖNNEN LÜFTUNG UND LÜFTUNGSANLAGEN NICHT ERSETZEN
Zur Reduzierung des Risikos einer Übertragung von SARS-CoV-2 empfiehlt die Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) am Bundesumweltamt, in Räumen, in denen sich Personen aufhalten, möglichst 100 % Frischluft zuzuführen, oder RLT-Anlagen mit Umluftanteil mit zusätzlicher Filterung (HEPA-Filter) zu versehen. Können RLT-Anlagen nicht nachgerüstet werden, bleibt kurzfristig nur das zusätzliche Lüften bei Bedarf über die Fenster und mittelfristig der Umbau der Anlagentechnik.
FAZIT
Mobile Geräte zur Luftreinigung dienen zur Reduzierung von Partikeln bzw. Mikroorganismen, die in der Raumluft enthalten sind. Je nach technischer Auslegung (Prinzip, Dimensionierung) sind solche Geräte in der Lage, Viren aus der angesaugten Luft zu entfernen bzw. zu inaktivieren. Allerdings hängt die Effizienz neben der Technik auch von den Aufstellbedingungen vor Ort sowie von der Luftverteilung im Raum ab. Da mobile Luftreinigungsgeräte jedoch unter Anderem kein anfallendes Kohlendioxid und keinen Wasserdampf aus der Raumluft entfernen, sind sie kein Ersatz für die in den Empfehlungen der IRK vom 12.8.2020 beschriebenen Lüftungsmaßnahmen mit Frischluft. Der Einsatz von Luftreinigern kann ergänzend sinnvoll sein – jedoch nur, wenn ausreichende Lüftung nicht möglich ist.
Alle Maßnahmen, Lüftungskonzepte und -techniken sowie ggf. der Einsatz von mobilen Luftreinigern ersetzen nicht die allgemein bekannten Schutzmaßnahmen gegen SARS- CoV-2. Sie bieten zudem keinen wirksamen Schutz gegenüber einer Exposition durch direkten Kontakt bzw. Tröpfcheninfektion auf kurzer Distanz.
INFORMIEREN SIE SICH RICHTIG!
Literatur/Quellen:
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Einsatz mobiler Luftreiniger als lüftungsunterstützende Maßnahmen in Schulen während der SARS-CoV-2 Pandemie https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/irk_stellungnahme_lueften_sars-cov-2_0.pdf
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Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK), 2015. Stellungnahme der Innenraumlufthygiene- Kommission (IRK) zu Luftreinigern. Bundesgesundheitsblatt 58, 1192. https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs00103-015-2228-0.pdf
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Umweltbundesamt (UBA), 2020-2. Mobile Luftreiniger in Schulen: Nur im Ausnahmefall sinnvoll. Dessau-Roßlau. Empfehlung vom 22.10.2020. https://www.umweltbundesamt.de/themen/mobile-luftreiniger-in-schulen-nur-im-ausnahmefall
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Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK), 2020-1. Das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV- 2 in Innenräumen lässt sich durch geeignete Lüftungsmaßnahmen reduzieren. Stellungnahme der Kommission Innenraumlufthygiene, 12.08.2020. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/irk_stellung nahme_lueften_sars-cov-2_0.pdf